Wie wichtig die Erinnerung ist…

Wie viele von euch wissen, werden wir seit Emmas Diagnose von der Initiative für krebskranke Kinder München e. V. in vielfältiger Form unterstützt. 

Zu den Zeiten in der Klinik München-Schwabing nutzen wir die Sozialberatung und die kliniknahe Elternwohnung.

Aber auch nach Emmas Tod wurden die Hilfsangebote nicht weniger. Die Nachsorge-Einrichtung KONA („Koordinierte Nachsorge für Familien mit an Krebs erkrankten Kindern“) bietet Hinterbliebenen Unterstützung in Eltern- und Geschwistergruppen sowie vielen weiteren Veranstaltungen.

Bisher haben wir diese nicht genutzt, die Gründe dafür sind unterschiedlich.

Im Frühjahr haben wir wieder eine Einladung erhalten, zum diesjährigen Frühjahrstreffen. 

Um ehrlich zu sein, habe ich wieder gezögert, mich tagelang mit meinen Gedanken beschäftigt und mich immer wieder gefragt, ob ich den Mut habe, an diesem Treffen teilzunehmen. Dank meinem Mann, der spontan dafür war, habe ich uns angemeldet.

Am 4. Mai war es soweit – wir machten uns auf den Weg Richtung Fürstenfeldbruck, In der Versöhnungskirche Emmering fand der Gottesdienst statt. Organisiert wurde er von KONA, zusammen mit einem ehrenamtlichen Team von vier betroffenen Müttern und Vätern. 

Zusammen mit der Pfarrerin Nicola Neitzel, Klinikseelsorgerin München Klinik Schwabing, wurde der Gottesdienst wundervoll und emotional gestaltet. 

Ich wusste, dass es ein harter Weg für mich sein wird und bereits vor Beginn des Gottesdienstes flossen die ersten Tränen. Der Anblick der Familien von all den verstorbenen Kindern berührte mich sehr. Die Schicksale, die hinter jeder einzelnen Person stehen – kaum auszudenken, welche Erfahrungen sie machen mussten. Ich dachte an all die Engelskinder, die nicht mehr bei ihren Eltern sein dürfen, nicht mehr mit ihren Geschwistern spielen können.

Wir durften Gedenkgläser gestalten, nach unserem Geschmack bemalen und mit bunten Steinen bekleben. Diese Gläser mit Teelichtern wurden anschließend alle auf den Boden gestellt, umgeben von bunten Tüchern. Die verschiedenfarbigen Tücher hatten eine Bedeutung – zu jeder Farbe wurde etwas über die Trauer vorgelesen.
Die leuchtenden Gläser am Boden wurden mehr und mehr. Die Namen der Engelskinder wurden vorgelesen und als ich EMMA KARL hörte, war ich am Höhepunkt meiner Traurigkeit angekommen. 

Schweren Herzens folgte ich dem weiteren Gottesdienst, spürte nach dem Verlesen des Endes den Drang, nach draußen zu müssen, an die frische Luft, in die Natur. Ich musste meinem Kopf andere Bilder schenken, denn die Erinnerungen an Emma waren gerade so präsent, dass der Schmerz immer mehr wurde.

Beim anschließenden gemeinsamen Essen und einem Spaziergang wurden die Gesprächsthemen wieder alltäglicher und der Schmerz weniger.

Auch wenn es ein schwerer Tag für mich war und die nachfolgenden Tage noch voller Gedanken waren, so war ich stolz, diesen Schritt gegangen zu sein.

Denn Erinnerung ist so wichtig! Man muss den Schmerz der Erinnerung zulassen, um alles nach und nach verarbeiten zu können.

Das war das erste KONA-Treffen, an dem wir teilgenommen haben, aber sicher nicht das Letzte.

An dieser Stelle möchte ich mich bedanken, bei KONA und allen Beteiligten für all diese Angeboten, so dass unsere Kinder nicht vergessen werden und wir verwaisten Eltern und Geschwisterkinder nicht alleine gelassen werden. 

München

München – ein Ziel, das ich nicht so gerne in meinem Routenplaner eingebe….

Heute waren mein Mann und ich seit langer Zeit mal wieder in München. Die Stadt, die ich mit so vielen Erinnerungen mit Emma verbinde.
Bereits die Fahrt auf der Autobahn macht mir Bauchschmerzen, die Ausfahrt Schwabing mit den Hinweisschildern zur Klinik verstärkt das Unbehagen.
Die Häuser, die Gärten, die Geschäfte – alles kommt mir so bekannt vor, auch wenn wir seit über zwei Jahren nicht mehr in die Klinik gefahren sind.

Von früher kenne ich dieses Gefühl nicht – das Gefühl von unangenehmen und zugleich schönen Erinnerungen. Unangenehm, weil bei jeder Fahrt in die Tagesklinik ein bißchen Angst dabei war.
Zusätzlich zur Grundangst, die man seit Diagnosestellung in sich trägt. Schön, weil Emma dabei war.
Weil wir diese Momente, all diese Stunden und Tage so genossen haben. Keine Verpflichtungen, kein Druck – wir mussten nicht in die Arbeit, Emma nicht in den Kindergarten. Wir waren zusammen und in unserer eigenen Blase.
Nach den Untersuchungen in der Tagesklinik, die meistens sehr schnell passiert waren, gab es im amerikanischen Schnellrestaurant meistens einen Hamburger oder ein Eis für Emma. Oder wir kauften noch irgendwo ein – auch hier gab es oft eine Kleinigkeit für Emma.
Wie kann man einem schwerkranken Kind auch einen Wunsch abschlagen? Ich konnte es nicht – so lange es im Rahmen blieb – denn den Wunsch nach einem Pferd wie von Bibi & Tina, den konnte ich ihr nicht erfüllen – aber das hat sie auch verstanden

Und heute….heute fuhren wir alleine in die große Stadt mit all den Erinnerungen. Ohne Emma an meine Seite, die genüsslich ihre Brotzeit verspeiste, um die Zeit im Auto zu überbrücken. Meist lies sie noch ein bißchen was übrig, falls wir in der Tagesklinik länger warten mussten und die Zeit bis zum Burger zu lange dauerte. Das zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.

Die Erinnerung an meine Emma, wie sie selbst die Fahrt in die Klinik mit der Voraussicht auf das eklige Port-Pieksen in Kauf nahm, ohne zu jammern.

Denn nur der Moment zählte. Ich kenne kein Kind, das so genüsslich und ruhig Gurkenscheiben und ein paar NicNacs essen kann wie mein Emma.

Aber heute waren wir nicht in der Klinik. Heute durften wir in der Belgradstraße, im Büro der Elterninitiative krebskranke Kinder e. V., etwas abholen.
Eine wundervolle Weihnachtsaktion, zusammen mit einer großen deutschen Firma, für die Geschwisterkinder, die nicht vergessen werden. Ich bin dem Team von KONA – der „Koordination Nachsorge“ der Elterninitiative – so dankbar – für alles, was wir an Unterstützung erhalten.

Ungefragt, mit Verständnis für alles.

Das passiert selten, gerade jetzt in unserer schweren, krisengebeutelten Zeit. Als ich beim kurzen Besuch in den Räumlichkeiten von KONA den Flyer von „Ein Hase für Emma“ sah, wurde es mir warm ums Herz.

Der Anblick meiner Emma in einem unerwarteten Moment – zauberhaft und voller Dankbarkeit.

Dankbar, um alles, was mir meine Emma mit auf den Weg gegeben hat.

„Danke mein Mausebär. Ich liebe dich. Für immer und ewig. Bis zum Himmel und zurück. Deine Mama“

Initiative krebskranke Kinder München e. V.

Emma im Spielzimmer der Onkol

Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr daran erinnern, wann wir das erste Mal bewusst von der Arbeit der Elterninitiative erfuhren haben.

Aber bereits in der ersten Woche auf der Schwabing Kinder-Onkologie-Station durften wir die Vorzüge und die Unterstützung der Elterninitiative spüren 

Dort gibt es ein wunderschönes Spielzimmer mit allen Spielsachen, die ein Kinderherz erfreuen lässt. Emma und ich haben die Zeit abends immer genutzt, dort ein wenig abzuschalten. 
Tagsüber waren wir meist bei Untersuchungen auf dem gesamten Klinikgelände unterwegs. Auch auf dem Zimmer kam wenig Ruhe auf, da regelmäßig eine Krankenschwester oder Ärztin kam, um Emma zu untersuchen, Medizin zu bringen oder uns etwas zu fragen. 

Ich erinnere mich an schöne Spiele im Spielzimmer mit Emma, wir versuchten, alle Spielsachen auszuprobieren und genossen die Zeit zusammen sehr. 
Nur einmal war ein Papa mit seinem Sohn im Zimmer, mit dem ich kurz sprach. Der Sohn hatte eine Infusion an seinem intravenösen Zugang und Emma musterte ihn kritisch. Sonst war nie ein Kind in diesem Zimmer, wenn wir da waren. 
Das Spielzimmer wurde von der Elterninitiative gesponsert, ebenso die Elternküche, in der Eltern die Gelegenheit haben, Getränke und Speisen im Kühlschrank zu lagern. Dort traf ich am ersten oder zweiten Tag eine Mama, die mir – ohne zu wissen, was sie dabei in mir auslöste – in kurzer Zeit ihre Geschichte erzählte. Eine von vielen Geschichten, die in nie vergessen werde.

Gegen Ende Juli nutzten wir zum ersten Mal die Elternwohnung, die die Initiative gegen geringes Entgelt zur Verfügung stellt, um in Kliniknähe zu übernachten. 
Die erste und einzige Nacht, in der ich nicht bei Emma schlafen durfte, war die Nacht nach der Biopsie, als Emma auf der Intensivstation war. 
Mein Mann schlief in der Woche, als Emma und ich Mitte August stationär zum Beginn der Bestrahlung in der Klinik waren, noch einmal ein paar Nächte in der Elternwohnung und konnte so lange bei uns sein.

Aber auch die psychosoziale Unterstützung nahmen wir dankend an, wie zum Beispiel beim Antrag für Emmas Schwerbehindertenausweis, bei Schwierigkeiten mit unserer Krankenkasse oder dem Antrag für die Familienreha. 

Nicht zu vergessen die Mutperlen, die wir sammelten, für die Untersuchungen, Operationen, Chemo, Bestrahlung… – außerdem der Besuch der Clinikclowns, der Ergotherapeutin, die Kindercocktail-Bar, das Brezenfrühstück – all das macht die Elterninitiative, um den Kindern den schweren Alltag zu versüßen und die Zeit so „schön“ zu gestalten, wie es möglich ist. Auch als Mama hat man in diesen Momenten ein wenig Zeit zum durchatmen, auch wenn der Anblick dieser Aktionen jedes Mal schmerzen. 

Für all das danke ich der Elterninitiative mit ihren vielen Helfern und herzensguten Menschen. Letzten Donnerstag beim Spendenübergabe-Termin in München durfte ich das aussprechen und erzählte dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Kiel von unseren Berührungspunkten mit der „Initiative krebskranke Kinder München e. V.“

Als wahnsinnig entscheidenden Punkt in der letzten Phase von Emmas Krebserkrankung sehe ich die Menschen hinter den „Kleinen Riesen“, dem Palliativ-Team, das uns professionell und herzlich, mitfühlend und unterstützend zur Seite stand. 

Aber auch nach Emmas Tod ließ die Unterstützung nicht nach, der Bereich KONA (Koordination Nachsorge) ist noch immer für uns da, bei sozialrechtlichen Fragen, für Geschwisterangebote und für mitfühlende Gespräche. 
Das Gefühl, nach dem Tod von Emma immer noch Teil des Ganzen zu sein, tut gut und gibt mir Sicherheit bei der Bewältigung vieler Themen. 

Wehmütig denke ich an die Zeit zurück. Auch wenn es schwere, traurige Zeiten voller Angst waren. Die Mitarbeiter der Elterninitiative haben uns begleitet und somit den Weg etwas leichter gemacht. 
Das werde ich nie vergessen und bin ihnen dafür für immer dankbar. 

Marion mit Emma im Herzen