Schicksalshafte Begegnungen oder Mein Tag in Bildern

Das Leben kann man nicht planen. 

Begegnungen aber oftmals auch nicht. 

Denn die spontanen Aufeinandertreffen sind vielleicht schöner als die, die man lange voraus geplant hat.

So geschah es auch heute. 

Ich bin immer noch voller kaum beschreibbarer Emotionen, wenn ich an die vergangenen Stunden denke.

Ich muss etwas ausholen….

Bereits Ende September erreichte uns eine E-Mail der Nachsorgestelle der Elterninitiative krebskranke Kinder München e. V. 

Sie stellen die diesjährige Weihnachtswunschbaum-Aktion vor und riefen dazu auf, die Weihnachtswünsche der erkrankten und genesenen Kinder sowie der Geschwisterkinder einzureichen.

Bereits letztes Jahr haben wir mitgemacht und uns sehr darüber gefreut, dass wir und besonders Emmas Brüder auch nach Emmas Tod nicht vergessen werden.

(Link zum Bericht von 2021: http://emmakarl.de/2021/12/17/muenchen/)

So fuhren mein Mann und ich heute wieder nach München, etwas mehr als ein Jahr nach dem letzten Besuch in der Stadt mit den vielen Erinnerungen

Als wir die Räumlichkeiten der Elterninitiative betraten, wurden wir von zwei Mitarbeiterinnen herzlich begrüßt. Uns wurden die Geschenke für die Jungs überreicht. Wir redeten über Emma, über die wundervolle Weihnachtswunschbaum-Aktion und so vieles mehr. 

Als wir erfuhren, dass innerhalb der nächsten Stunde ein ganz besonderer Mensch vorbeikommen würde, dachte ich mir 

„Ach, wie schön wäre es, wenn wir uns noch sehen würden“. 

Keine fünf Minuten später öffnete sich die Tür und ich hörte ihre Stimme – sie war da! Lisa. 

Lisa begegneten wir oft während der Zeit auf der Onkologie des Klinikum München Schwabing. Lisa arbeitete dort als Erzieherin und war überall vertreten. Wenn wir in der Tagesklinik waren, huschte Lisa fast immer an uns vorbei, hielt kurz inne, für ein kurzes Gespräch. Meist war Emmas bunte Kleidung oder ihre Friseur Thema – und Emma freute sich über die Komplimente und ein wenig Ablenkung. 

Inzwischen ist Lisa im wohlverdienten Ruhestand, aber sie verbringt weiterhin viel Zeit mit dem Thema „Krebs bei Kindern“. Denn sie ist im Vorstand der Initiative krebskranke Kinder München e. V. 

Wenn ich an die Zeit im Krankenhaus zurückdenke, dann sind das meist  trotz aller Tragik die schöne Momenten. Wie die Momente mit Lisa.

Die Verbundenheit war sofort wieder da, als wäre kein Tag vergangen. Die herzliche Umarmung und das gemeinsame Schwelgen in Erinnerungen gaben mir schlagartig unendlich viel Kraft! 

Ich kann nicht beschreiben, wie glücklich ich war, als Lisa erzählte, wie gut sie sich an uns erinnern konnte und mit glänzenden Augen von Emma sprach – von ihrem Wesen und ihrer Tapferkeit. Bunt und fröhlich – so ist ihr Emma im Gedächtnis geblieben. 

Als wir uns verabschiedeten und ich auf die belebte Straße in München Schwabing trat, war ich geflasht. 

Geflasht von dieser ungeplanten wundervollen Begegnung. 

Aber unsere Reise der wundersamen Begegnungen sollte noch nicht zu Ende sein.

Da ich seit fast zwei Jahrzehnten ein großer Fan der Schweizer Marke FREITAG bin, beschlossen wir, den Freitag Store in München zu besuchen und fuhren weiter Richtung Viktualienmarkt.

Während Emmas Behandlung waren wir auch dort und hatten der Shopleiterin von Emma erzählt. Emma hatte bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Denn zu Emmas 7. Geburtstag postete sie Geburtstagsgrüße bei Instagram.

Heute war ich auf der Suche nach einer bestimmten Tasche mit den Buchstaben E M, die ich bei Instagram gesehen haben. 

Als wir nach der Tasche fragten, erkannte sie uns und sagte 

„Ihr seid doch die Eltern von Emma“. 

Ich war baff. Zumal ich nicht damit gerechnet habe, dass sie immer noch in dem Shop arbeitet, hatte ich überhaupt nicht mit dieser zweiten schicksalshaften Begegnung gerechnet. 

Wie viele Kunden waren in der Zwischenzeit in diesem Shop? 

Aber Menschen wie uns und Schicksale wie das von Emma vergisst man nicht…

Das zweite Mal Gänsehaut an diesem Tag. 

Das zweite Mal ein Wink von Emma, ein Zeichen, mir ausgerechnet jetzt, kurz vor Weihnachten diese wundervollen Menschen zu schicken, die sich gemeinsam mit mir an meine zauberhafte Emma erinnern? 

Das kann kein Zufall sein! 

Wie oft habe ich mir gewünscht, dass Emma mir Zeichen sendet.

Heute waren sie da, in zweifacher und so eindeutiger Form!

Ich muss zugeben, ich bin nicht die Beste im Pflegen sozialer Kontakte (viele meiner Leserinnen wissen, wovon ich spreche). Umso mehr freut es mich, wenn ich ohne Zögern mit offenen Armen empfangen werde und spüre, dass es okay ist. 

Denn alles hat seine Gründe und viele wissen das auch. 

Die gemeinsame Zeit heute mit meinem Mann war ein Geschenk. 

Denn im Alltag fehlt uns oft die Zeit für tiefgreifende Gespräche, für Erinnerungen an Emma. 

Wir nutzen die Zeit an diesem freien Tag und fuhren noch zur Motor World München. Eine dekadente, surreale Welt mit Fahrzeugen, deren Wert meine Vorstellungskraft übersteigt. 

Neben all den glänzend polierten Autos und zwischen den Menschen war ich in meiner eigenen Welt und betrachtete die wunderschöne Industrie-Kulisse des ehemaliges Bahnausbesserungswerks. 

Zuhause angekommen erwartete mich noch ein Paket mit einem Werk, auf das ich unglaublich stolz bin. Aber davon erzähle ich euch ein anderes Mal…

Wahnsinnig viele Eindrücke für diesen kurzen Tag. Fast ein wenig zuviel für mein zartes Gemüt. Nun brauche ich erst etwas Zeit, um zu verarbeiten, was ich heute alles erlebt habe. Vielleicht träume ich noch, von Emma und den kraftspendenden Menschen, die mir heute meinen Tag bereichert haben.

Gemeinsam Kraft spenden. So lautet der Leitspruch der Elterninitiative. Wie unfassbar passend, an diesem 22. Dezember 2022. 

Nie hätte ich diesen Tag so planen können…

München. Bogenhausen. Ein Ort der Erinnerung.

Nie wieder in meinem Leben wollte ich dort hin.

Aber das Leben stellt nicht die Frage, ob man das möchte, ob man das ertragen kann.
Keinesfalls. Das Leben macht das, was man zu erledigen hat.
Eine Aufgabe, eine von vielen, schier nicht zu bewältigenden Aufgaben, die ich da heute erledigt habe.
Vielleicht war es gut so, vielleicht gehört auch das zur Trauerbewältigung. Sich den Tatsachen stellen. Sich den Erinnerungen hingeben.
Ich ging heute den schweren Weg ins Klinikum Bogenhausen, um meine Mama zu besuchen.
Ich ging die Wege, die ich im Juli 2018 mit Emma gegangen bin.
Ich blickte auf die Stellen, an denen ich stundenlang auf eine Nachricht gewartet habe.
Die Nachricht, ob die Biopsie gut verlaufen war, wie es Emma ging, wann ich sie wieder sehen dürfte.
1549 Tage nachdem ich zuletzt das Krankenhaus in München Bogenhausen betreten hatte, war ich wieder dort.
Am Ort der Erinnerungen.
Station 12. Onkologie. Da lag meine Mama. Zwar in einem anderen Flügel wie Emma im Sommer 2018, aber ich stand wie versteinert vor der Türe, durch die ich auch mit Emma gegangen bin. Ging durch die Flure, durch die ich getigert bin, als ich warten musste.
Nach dem Besuch bei meiner Mama zog es mich förmlich nach draußen.
Kurz vor dem Verlassen der Station zögerte ich. Ich überlegte, ob ich zu dem Zimmer gehen sollte, in dem ich mit Emma eine Nacht verbrachte. Aber ich ging zurück, zum Treppenhaus und zum Ausgang. Durchatmen. Raus. Einfach nur raus.
Irgendwas stoppte mich, auch diese Erinnerung einzufordern.
Vielleicht war es besser so, vielleicht nahm mich Emma an der Hand und sagte
„Mama, komm, jetzt ists gut, wir gehen wieder nach Hause.“

München

München – ein Ziel, das ich nicht so gerne in meinem Routenplaner eingebe….

Heute waren mein Mann und ich seit langer Zeit mal wieder in München. Die Stadt, die ich mit so vielen Erinnerungen mit Emma verbinde.
Bereits die Fahrt auf der Autobahn macht mir Bauchschmerzen, die Ausfahrt Schwabing mit den Hinweisschildern zur Klinik verstärkt das Unbehagen.
Die Häuser, die Gärten, die Geschäfte – alles kommt mir so bekannt vor, auch wenn wir seit über zwei Jahren nicht mehr in die Klinik gefahren sind.

Von früher kenne ich dieses Gefühl nicht – das Gefühl von unangenehmen und zugleich schönen Erinnerungen. Unangenehm, weil bei jeder Fahrt in die Tagesklinik ein bißchen Angst dabei war.
Zusätzlich zur Grundangst, die man seit Diagnosestellung in sich trägt. Schön, weil Emma dabei war.
Weil wir diese Momente, all diese Stunden und Tage so genossen haben. Keine Verpflichtungen, kein Druck – wir mussten nicht in die Arbeit, Emma nicht in den Kindergarten. Wir waren zusammen und in unserer eigenen Blase.
Nach den Untersuchungen in der Tagesklinik, die meistens sehr schnell passiert waren, gab es im amerikanischen Schnellrestaurant meistens einen Hamburger oder ein Eis für Emma. Oder wir kauften noch irgendwo ein – auch hier gab es oft eine Kleinigkeit für Emma.
Wie kann man einem schwerkranken Kind auch einen Wunsch abschlagen? Ich konnte es nicht – so lange es im Rahmen blieb – denn den Wunsch nach einem Pferd wie von Bibi & Tina, den konnte ich ihr nicht erfüllen – aber das hat sie auch verstanden

Und heute….heute fuhren wir alleine in die große Stadt mit all den Erinnerungen. Ohne Emma an meine Seite, die genüsslich ihre Brotzeit verspeiste, um die Zeit im Auto zu überbrücken. Meist lies sie noch ein bißchen was übrig, falls wir in der Tagesklinik länger warten mussten und die Zeit bis zum Burger zu lange dauerte. Das zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.

Die Erinnerung an meine Emma, wie sie selbst die Fahrt in die Klinik mit der Voraussicht auf das eklige Port-Pieksen in Kauf nahm, ohne zu jammern.

Denn nur der Moment zählte. Ich kenne kein Kind, das so genüsslich und ruhig Gurkenscheiben und ein paar NicNacs essen kann wie mein Emma.

Aber heute waren wir nicht in der Klinik. Heute durften wir in der Belgradstraße, im Büro der Elterninitiative krebskranke Kinder e. V., etwas abholen.
Eine wundervolle Weihnachtsaktion, zusammen mit einer großen deutschen Firma, für die Geschwisterkinder, die nicht vergessen werden. Ich bin dem Team von KONA – der „Koordination Nachsorge“ der Elterninitiative – so dankbar – für alles, was wir an Unterstützung erhalten.

Ungefragt, mit Verständnis für alles.

Das passiert selten, gerade jetzt in unserer schweren, krisengebeutelten Zeit. Als ich beim kurzen Besuch in den Räumlichkeiten von KONA den Flyer von „Ein Hase für Emma“ sah, wurde es mir warm ums Herz.

Der Anblick meiner Emma in einem unerwarteten Moment – zauberhaft und voller Dankbarkeit.

Dankbar, um alles, was mir meine Emma mit auf den Weg gegeben hat.

„Danke mein Mausebär. Ich liebe dich. Für immer und ewig. Bis zum Himmel und zurück. Deine Mama“

Artikel in der Münchner Tageszeitung

Zeitungsaufsteller Emma TZ

Nach 4 Wochen Reha waren wir heute zum ersten Mal wieder zur Kontrolle in der Tagesklinik. Dort bekamen wir die benötigten Unterlagen (Berichte, CD mit den MRT-Aufnahmen) für unsere morgige Reise nach Köln mit auf den Weg. 

Bereits auf dem Weg zur Klinik strahlte uns Emma von den heutigen TZ-Zeitungsaufstellern an! 


Emma ist ganz stolz, denn heute ist ein Bericht über sie, die geplante Immuntherapie und die Spendenaktion des „Flughafenverein München e. V.“ in der TZ.