Rückblick

Emma und Marion

Rückblick 25. März 2019 – MRT-Termin in der Klinik

Vor einem Jahr fuhren wir zum letzten MRT in Emmas kurzem Leben ins Krankenhaus. 

Nach dem MRT im Januar 2019 bekamen wir die Nachricht, daß der Tumor gewachsen war, deshalb wurde das folgende MRT bereits nach zwei Monaten geplant, anstatt nach den üblichen drei Monaten.

Emma war bereits gewohnt, an diesem Morgen nichts zu essen, im Krankenhaus einen Zugang über den Port zu bekommen und in der Tagesklinik zu warten, bis zum geplanten MRT-Termin. 

Vor dem Beginn des MRT durften mein Mann und ich mit Emma in den Vorraum, in dem der Anästhesist Emma das Narkose-Medikament „Propofol“ über den Port-Zugang verabreichte. 
Sobald Emma eingeschlafen war, trug sie der Anästhesist in den MRT-Raum und wir mussten uns draußen geduldenNach etwa einer Stunde warteten wir im Aufwachraum bei Emma, bis sie aus der Narkose erwachte. 
Die Krankenschwester der Tagesklinik holte uns ab und Emma bekam etwas zu essen. Nachdem es ihr gut ging und sie zur Toilette konnte, durften wir nach Hause fahren.

Beim Heimfahren schickte ich einer Freundin ein Foto mit einem Daumen nach oben…mein Zeichen, das alles geklappt hat (denn die Angst wegen der Narkose stieg jedes Mal an).
Aber insgeheim ahnte ich zu diesem Zeitpunkt bereits, daß wir einige Tage später keine guten Nachrichten erhalten würden…

Ich habe Bauchschmerzen, wenn ich an die Zeit vor einem Jahr denke. Denn es ging dann fast nur noch bergab und der Tumor zeigte immer mehr Zeichen…
Verzweiflung und Zukunftsangst liessen sich immer weniger verdrängen. Auch Emma spürte, daß die böse Blume nicht kleiner geworden war – auch wenn sie es sich so sehr gewünscht hatte. 

Ich befinde mich momentan in einer sehr nachdenklichen Phase…wegen Corona und den Vorsichtsmaßnahmen und Folgen für jeden von uns. 

Wie letztens bereits geschrieben, ist es (bisher) kein Problem für mich – durch Emmas Krankheit waren wir gut vorbereitet, auf diese „Corona-Krise“ – die nächste Krise innerhalb kürzester Zeit für uns. 
Isolation und Beschränkungen sind wir gewohnt, aber auch die wunderbaren Begegnungen mit Menschen, die Hilfsbereitschaft und die Nächstenliebe. 

Manche befürchten, wir könnten daran zerbrechen – kaum haben wir einigermaßen, mehr oder weniger zwangsweise, ins Leben zurück gefunden, so kommt nun innerhalb kurzer Zeit die nächste „Krise“.

Aber ich glaube nicht, daß es so kommen wird. 

Ich wünsche mir für viele andere Leute, daß sie durch diese „weltumfassende“ Krise das Leben und ihre Gesundheit wieder mehr zu schätzen wissen, sich selbst und ihren Alltag entschleunigen, sich wieder mehr Zeit für Familie und Freunde nehmen und vor allem ihre Freiheit geniessen. 

Das Leben ist schön!

Passt auf euch auf und bleibt gesund.

Ganz liebe Grüße und bis bald

Marion mit Emma im Herzen

Mein Wort zum Mittwoch

Noch einmal möchte ich meine Meinung zu Corona mitteilen und verständlich machen, wie ich es, als betroffene DIPG-Mama, die Sache sehe.

Ich möchte DIPG nicht mit Corona vergleichen, aber erläutern, warum dies für mich und für uns als Familie keine so große Ausnahmesituation darstellt als für manch andere, was ich vollkommen verstehen kann.

Wir befinden uns seit Emmas Diagnose, seit dem 13. Juli 2018, in einer Ausnahmesituation. 

Von einem Tag auf den anderen wurde unser bis dahin „normales“ Familienleben auf den Kopf gestellt.

Von diesem Tag an war nichts mehr wie vorher. 

Mein Leben wird nie mehr das sein, was es war.

ICH wurde von diesem Tag an in meinem Grunddenken des Lebens, der Idealvorstellung einer Familie, komplett umgestellt. 
Ich musste mich plötzlich mit Ängsten befassen, die ich vorher nie hatte. 

Ich musste meinem Kind, ihren Geschwistern und der ganzen Familie, Freunden und Bekannten sagen, daß meine Tochter an einem unheilbaren Tumor erkrankt ist und diesen Krebs nicht überleben wird. 

Neun Monate hiess es – wie schnell vergehen neun Monate in unserem Leben? Neun Monate war die Prognose, die zu einem Kampf von 14 Monaten wurden. 

Stellt euch vor, es gäbe eine extrem schlimme Form von Corona – eine Sonderentwicklung des Virus, den nur 1 % oder weniger der Bevölkerung betrifft, auch Kinder und bislang gesunde Erwachsene. 
Der Arzt stellt diese Form von Corona fest, sagt euch bei Diagnose, daß man mit diesem Virus nur etwa neun Monate zu leben hat. 
Man bekommt sofort Medikamente, Behandlungen und Therapien, weiß aber zu diesem Zeitpunkt bereits, daß keiner diese Maßnahmen zur Heilung beitragen, sondern zum Tode führen wird. 
Man versucht neben der Standard-Behandlung viele verschiedene Sachen – Naturmedizin, individuelle Therapien, die selbst finanziert werden müssen. 

Manche Dinge machen Hoffnung, man wünscht sich, eine Ausnahme zu sein, den Durchbruch zu schaffen, aber im Laufe der Krankheit erlebt man Höhen und Tiefen und wird immer wieder von der Tatsache eingeholt, daß man einer der wenigen ist, die es mit einer der schlimmsten Krankheiten getroffen hat. 

Man bekommt Tipps…man soll die Zeit geniessen, Erinnerungen schaffen. Gemeinsame Erlebnisse, um alles abzuspeichern für die Zeit danach. 
(Wie soll man das bitte so einfach tun, immer mit dem Wissen, daß es NIE mehr so sein wird wie vorher?)

Man merkt, daß der Körper gegen das Virus arbeitet und versucht, den Feind zu bekämpfen. Es gibt Tage der Hoffnung, die aber innerhalb von Stunden wieder zunichte gemacht werden können.
Man muß sich plötzlich anders verhalten – regelmäßig zum richtigen Zeitpunkt die verordneten Medikamente einnehmen, darauf achten, wann und wie welche Medizin genommen werden muß. 
Man stellt seine Ernährung um, schränkt sich in seinem Alltag stark ein.
Hat mit Nebenwirkungen der Medikamente und mit Auswirkungen der Krankheit zu tun, die wiederum behandelt werden müssen, oftmals kurzfristig und ohne Wissen, ob es der richtige Weg ist. 
Man muß regelmäßig zur Kontrolle zum Arzt, bangt jedes Mal bis zum Erhalt des Ergebnisses. Das Ergebnis bestätigt einen in der richtigen Verhaltensweise oder erfordert eine erneute Umstellung. 
Man ist jederzeit darauf vorbereitet, ins Krankenhaus zu müssen, nicht mehr frei zu sein. 
FREI SEIN – dies ist man allerdings bereits ab der Diagnose nicht mehr.

Nicht nur der Patient selbst, sondern das gesamte nahe Umfeld. 
Irgendwann verschlechtert sich die gesundheitliche Situation so sehr, daß man sich bewusst wird – „Die Prognose wird zutreffen, es wird so kommen, wie es die Ärzte prophezeit haben.“

Ich möchte euch damit sagen, es kann JEDEN treffen, auch bereits vor dem Frühjahr 2020, seit Corona uns alle plötzlich betrifft und gefährdet.

Aber wir sind uns selbst oft so sicher, auch ich bis zu Emmas DIPG-Diagnose, daß alles „normal“ laufen wird.
Die wenigsten gesunden Menschen befassen sich mit dem Tod, mit einer schlimmen aussichtslosen Krankheit. Auch ich habe bis zum Juli 2018 nicht darüber nachgedacht. Warum auch? Es lief ja alles ganz „okay“…

So gesehen harre ich der Dinge und vergesse nie, daß – egal was kommen wird – ich es schaffen werde, denn Emma hat es auch geschafft und wir als Familie. 

Wir dürfen uns nicht so sicher sein, unsere Freiheit nicht zu schätzen wissen – denn wie wir jetzt sehen, kann sich unser Leben von einem auf den anderen Tag grundlegend ändern. 

Bitte versteht mich nicht falsch, ich möchte Corona nicht abwerten und nicht den Eindruck erwecken, daß ich es nicht ernst sehe.
Ich möchte nur sagen – MICH erschüttert nichts mehr so schnell. Und ich bin gewachsen an schier unlösbaren Aufgaben des Lebens. 

Die Einzelschicksale der Menschheit, wie Kinder, die plötzlich an DIPG erkranken oder andere unheilbare oder chronische Krankheiten, mit denen Menschen unter uns tagtäglich zu kämpfen haben, treten in den Hintergrund. 

Die Medien berichten in Dauerschleife von Corona, in den sozialen Medien ist es vertreten wie kein anderes Thema, die Leute reden über (fast) nichts anderes mehr. 

Es heisst immer, es ist zu wenig Geld für Forschung vorhanden. 
Nun, da es so viele Leute betrifft, sieht die Situation anders aus. Ich verstehe es auch, daß gegen Corona mit Hochdruck geforscht wird, weil es eben so viele betrifft und gefährdet. Und es ein Riesenerfolg wäre, wenn ein Impfstoff gegen Corona gefunden wird. 
Aber ebenso würde ich mir wünschen, daß Dr. Beck gegen DIPG etwas findet und damit den Durchbruch schaffen würde – die ganze Welt würde profitieren, wenn etwas gegen Hirntumore gefunden wird. Nicht die Menge an Menschen, die nun wegen Corona gefährdet sind, aber sehr viele Kinder und Erwachsene, die noch immer, in unserer modernen Zeit, an einem Gehirntumor sterben müssen. 

Es gab schon viele schwere Krisen – Pest und Cholera, spanische Grippe, asiatische Grippe, russische Grippe und und und – nur WIR in unserem Zeitalter waren bisher nicht betroffen von großen Pandemien.

Unser Leben hängt immer an einem seidenen Faden, das vergessen wir leider nur zu oft. 

Ich wünsche euch alles Gute, bleibt gesund!

Ganz liebe Grüße und bis bald

Marion mit Emma im Herzen