Der Mai
Mit dem heutigen Tag ist der Mai zu Ende und einer der bedeutendsten Monate in meinem zweiten Leben.
Zweites Leben?
Was ich damit meine, erzähle ich euch in einem eigenen Betrag, den ich heute noch schreiben werde.
Mit Gedanken, die mich seit heute früh, aber wohl eher schon seit Tagen beschäftigen.
Es gibt Phasen in meinem zweiten Leben, da ist die Trauer nicht dauernd präsent. Auch wenn ich Emma tagtäglich vermisse, bin ich oftmals mit meinem Alltag so sehr beschäftigt, dass ich selbst erschrecke, wo denn die Trauer gerade geblieben ist.
Im Mai kam die Trauer wieder ganz arg, in langsamen Schritten, aber mit jedem Tag heftiger, auf mich zu.
Mai ist Bewusstseinsmonat für Hirntumore.
Als Aufgabe unseres Vereins Emmas Vermächtnis e. V. posteten wir täglich Fakten über Hirntumore.
Mit jeder Tatsache, die wir dort veröffentlichten, verstärkte sich mein Schmerz und meine unermessliche Wut auf den schrecklichen Hirntumor DIPG, der mir meine Emma genommen hat.
Mai ist auch Bewusstseinsmonat für Tuberöse Sklerose. Die Erkrankung, von der ich bis 2019 nichts wusste. Erst durch Doris und ihre Tochter Franzisca lernte ich TSC kennen und somit weitere Gemeinsamkeiten zwischen Doris und mir, die mich manchmal erschrecken lassen und zugleich die einzigartige Verbindung zu Doris verstärken.
Im Mai ist der Geburtstag von Ein Hase für Emma. Im Mai 2020 wurde Ein Hase für Emma bei Facebook gegründet und damit ein Meilenstein in meinem Leben.
Mitte Mai hatte ich mit Pius einen wichtigen Termin im Krankenhaus.
Ein Termin, vor dem ich große Angst hatte. Nicht wegen der bevorstehenden Operation, sondern wegen der Erinnerungen.
Den Erinnerungen an Krankenhausbetten, Arztgesprächen, den Geruch von Desinfektionsmitteln, den Geräuschen auf dem Linoleum.
Als der Arzt mich ganz behutsam aufklären wollte, was die Risiken der Operation und die notwendige Anästhesie angeht, hörte ich mich selbst sagen „Das schockiert mich nicht. Ich habe schon viel schlimmeres erlebt.“
Und dann erzählte ich von Emma und wieder war er da – der Blick meines Gegenübers, der so viel sagte. Ohne Worte.
Als ich mich am Montag und gestern mit einem Fragebogen für einen weiteren wichtigen Termin mit Pius beschäftigten musste, kamen weitere Erinnerungen auf. Erinnerungen an die gute Zeit. An die Zeit vor Emmas Diagnose. Als wir noch eine unbeschwerte Familie mit drei gesunden Kindern waren.
Bilder von Emma in meinem Handy. Erinnerungen in meinem Kopf. Traurigkeit und Liebe. Ein Gefühlschaos ohne gleichen.
Nun ist er vorbei, der Mai.
Der Mai, der seit 2018 eine andere Bedeutung für mich hat.
Goodbye Mai, bis 2024. Da spüren wir uns wieder.